WIR
Daniel Duchert. Dieser Name ist ganz besonders in Zusammenhang mit dem Erdstoff Lehm bekannt. Aber wer nun an die nachhaltige Variante des Verputzens denkt, liegt daneben – oder doch nicht? Daniel Duchert nutzt Erde und Lehm als Ausgangsmaterialien für seine künstlerischen Arbeiten, die nicht nur von der regionalen Presse mehrfach vorgestellt wurden. Aber er nutzt diesen alten Baustoff eben auch noch in zwei weiteren Bereichen: im gestaltenden Innenausbau mit Lehm und Lehmputz und in der ästhetischen Bildung. Ob ‚Kultur in Stormarn‘, Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte, das Format ‚Lehm-Kunst-Tage‘, ein Kita-Bauprojekt in Tansania, ‚Der Nordosten baut grün‘ oder Installationen – nicht nur die Welt ist bunt, sondern auch die Erde! Nachvollziehbar, dass eines der Bücher des Lehm-Künstlers, Fachplaners für Bildungsräume und Autors den Titel „Die Erde ist bunt“ trägt.
SR: Der Titel Ihrer Außenraum-Installation zum 19. KulturSommer am Kanal lautet „WIR“. Hier geht es aber weniger um Lehm und Erde, oder?
Duchert: Das ist richtig. Wenn, dann nur indirekt, weil sich Bäume in der Erde verwurzeln. Es geht um ein ganz anderes Thema, um Überlebensstrategien am Beispiel einer Baumgruppe. In einem Buch las ich vor Jahren über die Solidarität zwischen Bäumen, dass sie erkrankte Artgenossen über ihr Wurzelnetzwerk mit Wasser und so mit Nährstoffen versorgen. Es gibt aber auch Baumarten, die anders ticken. Dieses Phänomen hatte mich damals berührt. Das tut es heute noch.
Und wenn es so ein WIR als Überlebensstrategie zwischen Bäumen gibt, beginne ich über uns Menschen nachzudenken. Was gibt es denn da – miteinander statt gegeneinander, unterstützen statt behindern, teilhaben statt vereinsamen? Das sind Themen einer Stadt, eines Landes, aber besonders für jeden Einzelnen.
SR: Die sichtbare Vernetzung der unterirdischen Wurzeln mittels überirdisch verlegter Bretter sowie Latten, die nicht an den Bäumen befestigt, sondern selbsttragend sind – ist dieses Kunstwerk speziell für den Geesthachter Hochzeitswald konzipiert worden?
Duchert: Zu dem Thema Bäume hatte ich mir schon ein paar Jahre zuvor Gedanken gemacht und bei Seite gelegt. Auf diese Vorarbeit konnte ich nun aufbauen. Sie war vor allem hilfreich, um einen Ort mit dem passenden Baumbestand zu finden. Der Hochzeitswald ist perfekt. Bei einem weiteren Ortsbesuch nahm ich ein Aufmaß der Baumgruppe, berechnete auf dieser Grundlage die Materialmenge, machte mir Gedanken über Details der Umsetzung. Dann wurde Holz und Farbe bestellt. Die Materialien liegen nun in der Werkstatt und die Vorbereitungsarbeiten können beginnen. Es ist wirklich eine Menge Holz – 350 laufende Meter.
SR: Sind Sie absichtlich vom Thema Lehm und Erde abgewichen? Oder sieht es erst einmal nur so aus und ist die Verbindung zur Erde für Sie – und vielleicht dann auch für den Betrachter – durch diese hintergründige Installation zu dem, was unter der Oberfläche verborgen ist, absolut vorranging? Also wieder zur Erde an sich?
Duchert: In der Tat fragte ich mich, ob es gut ist von meinem Kernthema Lehm und Erde, der puren Materialität auf gerahmten Paneelen, abzuweichen. Aber ich hatte eine Idee, die nach Umsetzung rief. Warum ihr im Wege stehen? Wenn der innere Motor anspringt, Kraft strömt, wäre es dumm sie nicht zu nutzen. Die Umsetzung einer Idee ist ein Stück Freiheit, ein Stück Potenzialentfaltung. Zudem knüpft die Geesthachter Arbeit an die 2018 entstandene Installation „Dissection“ (Sezierung) auf dem Parcour d’Art Contemporain im französischen Fourneaux an, wo ich den Boden einer Koppel auf 35 Quadratmer schichtweise sezierte. Beiden Installationen ist gemein etwas sichtbar zu machen, auch wenn bei WIR der Boden nur eine Nebenrolle spielt. Im Fokus steht hier das sichtbargemachte unterirdische Nervensystem der Baumgruppe, das im Falle des Falles als Rettungssystem funktioniert. Das ist grandios.
SR: Sie sind Mitglied im STELLWERK Bargteheide, einer Vereinigung bildender Künstler aus Bargteheide und Umgebung. Wie passt da der Hochzeitswald in Geesthacht?
Duchert: Der passt hervorragend. 2022 hatte ich die Möglichkeit im GeesthachtMuseum! auszustellen. Das war im Rahmen des kreisübergreifenden Formates „Kunst Orte“. Eine neue Umgebung, andere Menschen, andere Ideen. Das finde ich produktiv.
SR: Design, Kunst, Bildung sind ebenso wie die Kinder-Lehmwerkstatt und Workshops Themen Ihrer Internetseite. Sie sind nicht nur Autor, sondern auch Planer, Künstler und Impulsgeber – ist das nicht ganz schön viel für eine einzelne Person oder haben Sie ein Team an Ihrer Seite?
Duchert: Nein, ich habe kein Team an meiner Seite, nur meinen Projektkalender mit Stundendokumentation, Finanzverwaltung und Liquiditätsplanung, um zu sehen wo die Fahrt hingeht. Und da ist noch meine Atelierwerkstatt in Ahrensburg, mein Goldschatz. Ohne sie könnte ich meine Projekte nicht umsetzen, auch wenn sie langsam zu klein wird. Raum ist für mich ein Ort der Potenzialentfaltungskultur. Er ermöglicht Entwicklung. Ohne Raum sind mir die Hände gebunden – kein schönes Gefühl. Mal schauen, ob es eine Erweiterungsmöglichkeit gibt, die bezahlbar ist.
Sie sehen es richtig, unter meinem Hauptthema „gestalten mit Lehm“ haben sich unterschiedliche Leistungsbereiche entwickelt. Ich muss oft die Rollenbilder wechseln zwischen Fortbildner, Raumplaner, Moderator, Künstler, Atelierbegleiter oder Ausführender. Das schlaucht manchmal, natürlich. Auf der anderen Seite ergänzen sich die Bereiche gut. Ich profitiere inhaltlich von den Synergien. Zum Beispiel trat kürzlich Vision Tansania an mich heran für eine Machbarkeitsstudie zum Bau eines Kindergartens in Lehmbauweise im ländlichen Raum Tansanias. Hier passt die Kombination Fachkraft für Lehmbau und Fachplaner für Bildungsräume wunderbar zusammen. Ohne Arbeitsdisziplin und Arbeitsorganisation wird es schwierig. Manchmal wünsche ich mir gerne ein Team.
SR: Sie sind auch Innenarchitekt und bilden auch in diesem Bereich Gruppen bis zu 20 Teilnehmern weiter. Ganz ehrlich: Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie sich ausschließlich mit der Kunst beschäftigen?
Duchert: Kurz zum ersten Teil. Ja, ich bin ausgebildeter Innenarchitekt, und ich plane Bildungsräume für Kitas unter dem Gesichtspunkt Naturmaterialen und Nachhaltigkeit. Die Weiterbildungen richten sich an pädagogische Fachkräfte und Kita-Teams, die in die Werkstattarbeit mit Lehm einsteigen möchten oder Beratung suchen für die Umsetzung des pädagogischen Konzeptes in ein Raumgestaltungskonzept. Der Startpunkt meine Arbeit mit Lehm war jedoch das Thema Gestaltung mit Lehm im Innenarchitekturbereich – Trennwände, Raumobjekte, Oberflächengestaltung. Das reizte mich und tut es noch immer.
Und die Kunst? Ja, sie ist der Nährboden und auch Ideengeber für all meine Tätigkeitsfelder. Die künstlerische Arbeit gehört zu mir. Dieses Thema bricht immer wieder durch. Ich muss der Sache Raum geben. Hätte ich die Wahl würde ich gerne eine Zeit lang die vielen skizzierten und notierten Gedanken umsetzen, neuen Ansätzen folgen. Derzeit fahre ich in der Kunst mit angezogener Handbremse. C’est la vie.
SR: Sie sind zum ersten Mal beim KulturSommer am Kanal dabei aber ja nicht während der gesamten Ausstellungsdauer Ihrer Installation vor Ort. Welche Objekte, Installationen oder Theaterstücke werden Sie sich definitiv anschauen beziehungsweise worauf sind Sie besonders neugierig?
Duchert: Es ist eine unglaubliche Fülle und eine wunderbare Gelegenheit einen Landstrich via Kunst und Kultur kennenzulernen. Da habe ich noch Nachholbedarf.
Was mich interessiert? Ich nehme mir vor zur Eröffnung zu kommen. Dann sind da noch die Doppelausstellung in Mölln, das Kleinkunstfest Ahoi in Ratzeburg, das E-Werk in Lauenburg und das Kammerspiel nach Shakespeare. Die ersten Heftis kleben also schon im Programmheft. Die klassischen Konzerte interessieren mich auch. Mal schauen, ob sich das eine oder andere als Rundtour zusammenstellen lässt. Machen wir uns eine gute Zeit von der wir zehren können.
Wir bedanken uns herzlich bei Daniel Duchert für diesen kleinen Einblick. Viele weitere Informationen zum Künstler können Interessierte auch unter www.gestalten-mit-lehm.de nachlesen. Die Termine zum diesjährigen KulturSommer am Kanal sind online unter www.kultursommer-am-kanal.de sowie unter www.herzogtum-lauenburg.de/event zu finden.
Das Gespräch mit Daniel Duchert führte Sabine Riege, Redaktion KulturSommer am Kanal. Foto: Annett Melzer
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